Zwei absolute Top-Ereignisse hat die Seesener Orientierungsläuferin Birte Friedrichs in den letzten Wochen absolviert, die wohl den Höhepunkt ihrer bislang schon ereignisreichen Karriere darstellen, in der sie sich seit ihrem 15. Lebensjahr für alle anstehenden internationalen Meisterschaften qualifiziert hatte. Als eigentlicher Spezialistin in den Walddisziplinen war es ihr in diesem Frühjahr in einem wahren Qualifizierungsmarathon mit Teilnahmen an mehreren Trainingslagern und Weltranglistenläufen in unterschiedlichen Ländern gelungen, für das dreiköpfige Damenteam nominiert zu werden, das zur erstmals ausgetragenen Sprint-Weltmeisterschaft nach Dänemark fuhr. Und als i-Tüpfelchen obendrauf wurde sie auch noch in das zwei Männer und zwei Frauen umfassende Team berufen, das Deutschland bei den World Games in den USA vertrat. Ihr Vereinskamerad Ole Hennseler hatte krankheitsbedingt Trainingsrückstand und fand bei der Nominierung keine Berücksichtigung, wird aber die deutschen Farben Anfang August bei den Europameisterschaften in Estland vertreten.
Wegen der Corona-Unterbrechung kam es in diesem Jahr erstmals zur Durchführung einer eigenständigen Sprint-WM, die nach Verbandsbeschluss im jährlichen Wechsel mit einer Wald-WM stattfinden soll. Diese umfasst neben einer Sprintstaffel und dem herkömmlichen Sprint-OL mit Vorlauf und Finale noch die neugeschaffene Variante eines KO-Sprints, wie er auch vom Skilanglauf bekannt ist. Knapp 250 Sportler aus 42 Nationen reisten in den Zentralort Kolding in Jütland, nur rund 50 km von Flensburg entfernt. Sommerliche Temperaturen und reichlich Sonne waren die guten Rahmenbedingungen.
Den Auftaktwettbewerb Sprintstaffel bestritt das deutsche Team in der gleichen Aufstellung, die schon beim letzten Weltcup-Wochenende in Schweden am Start war und so auch bei den World Games starten sollte. Susen Lösch, Erik Döhler und Bojan Blumenstein lieferten solide Auftritte ohne herauszuragen und übergaben an Schlussläuferin Birte Friedrichs an Position 16. Diese war an diesem Tag physisch nicht wie gewünscht in Form und musste noch die Ukrainerin ziehen lassen, sodass die deutsche Staffel als 17. ins Ziel kam. Der Abstand zu einer Tram aus fünf Teams betrug nur zwischen einer halben und einer Minute, aber die Lücke ließ sich nicht mehr schließen. Der Sieg ging an das favorisierte schwedische Team.
Beim KO-Sprint, der in Fredericia inclusive seiner Burganlage ausgetragen wurde, kamen aus den drei Vorläufen mit über dreißig Teilnehmern nur die besten Zwölf in die Viertelfinalläufe. Diese hohe Hürde schafften alle drei deutschen Damen jeweils um wenige Sekunden nicht, allerdings zwei Herren. In den Sechsergruppen, die dann jeweils im direkten Kampf gegeneinander antreten mussten, war für sie dann allerdings auch Endstation. Aus den drei Halbfinalläufen kamen je zwei ins Finale – die Sieger dort hießen Tove Alexandersson (Schweden) und Matthias Kyburz (Schweiz).
Vor- und Endlauf des Sprintwettkampfes fanden in Vejle statt und waren durch viele Zäune, Mauern und vor allem künstliche Sperren technisch extrem anspruchsvoll, was teilweise zu Lasten der läuferischen Komponente ging. Großes Pech hatten Patricia Nieke und Birte Friedrichs, die beide in ihren Vorläufen um einen Rang ganz knapp den Finaleinzug verpassten. Susen Lösch schaffte dieses Ziel und wurde dort gute 24., ebenso die drei Männer, die im Finale die Ränge 25, 32 und 35 belegten. Die Siege gingen etwas überraschend an die Britin Megan Carter Davies und den Norweger Kasper Fosser. Das Fazit der Seesenerin fiel entsprechend etwas enttäuscht aus, weil sie trotz guter Läufe zweimal knapp in der Qualifikation gescheitert war.
Gut eine Woche später hieß es, von einem Ausstatter komplett eingekleidet, schon wieder Koffer packen. Ziel war die Stadt Birmingham im amerikanischen Bundesstaat Alabama, Ausrichter der um ein Jahr verschobenen World Games. Das sind die Weltspiele der Sportarten, die zwar olympisch anerkannt, aber nicht im olympischen Programm vertreten sind, und die jeweils ein Jahr nach den Olympischen Spielen an zwölf Tagen stattfinden. Zu den 34 Sportarten, in denen Medaillen vergeben werden, gehört auch der Orientierungslauf mit drei Entscheidungen im Sprint-OL, über die Mitteldistanz und in der Sprintstaffel. Insgesamt waren beim OL nur je vierzig Herren und Damen nach einem ausgeklügelten Schlüssel zugelassen. Das vierköpfige deutsche Team hatte sich vor allem durch die WM-Staffelergebnisse des Vorjahres erstmals seit längerer Abstinenz wieder qualifiziert.
Die heißen Temperaturen um 35° C und eine hohe Luftfeuchtigkeit setzten allen Athleten erheblich zu. Die Sprintentscheidung fiel auf dem Gelände des Birmingham Southern College, das durch freistehende Gebäudekomplexe, Sportanlagen und hügelige Wiesen mit vielen Höhenmetern und Treppen geprägt war. Das deutsche Team freute sich über drei Top20-Platzierungen durch Bojan Blumenstein (17.), Birte Friedrichs (18.) und Susen Lösch (20.). Die Seesenerin war im Ziel völlig fertig und überrascht von einer so guten Platzierung, erstmals sogar vor ihrer Teamkameradin.
Der nächste Wettkampf bei tropischen Bedingungen, die Mitteldistanz, fand eine halbe Autostunde entfernt in einem komplett offenen Waldgebiet mit sehr ausgeprägtem Höhenrelief und steilen Anstiegen statt und forderte kluge Routenwahlentscheidungen und sauberes Höhenlinienlaufen. Das deutsche Team glänzte vor allem durch einen tollen achten Platz von Susen Lösch, der für die (finanzielle) Anerkennung des deutschen OL-Sports sehr viel wert sein kann, aber auch die Ränge 12 von Bojan Blumenstein und 14 von Birte Friedrichs.
Die gute Stimmung im deutschen Team hielt auch bei der Sprintstaffel an. Der Railroad Park bot zwar technisch wenige Schwierigkeiten, dafür war höchstes Lauftempo angesagt. Beim Sieg der Schweizer Staffel hielten alle vier Deutschen ihre Rückstände geringer als bei den letzten Staffeln und kämpften hinter den führenden Teams ein Privatduell mit den zuletzt immer deutlich besser platzierten Österreichern um Rang sieben und acht. Nach Susen Lösch, Bojan Blumenstein und Colin Kolbe konnte Birte Friedrichs die acht Sekunden Rückstand gegenüber der gleichschnellen Österreicherin trotz großem Fight nur um zwei Sekunden verkürzen, sodass der trotzdem erfreuliche und vielleicht ebenfalls wertvolle achte Platz zu Buche steht.
So herrschte im deutschen Team einschließlich Bundestrainer am Ende der Wettkämpfe große Freude, und auch die Seesenerin war mit ihren Ergebnissen sehr zufrieden. Zur Euphorie trugen auch gemeinsame Besuche bei den Entscheidungen in anderen Sportarten bei, ob bei Beachhandball, Lacrosse, Faustball, Akrobatik, Duathlon oder Klettern. Das absolute Highlight bildete dann die Abschlussfeier mit gemeinsamem Einzug der Athleten ins voll besetzte Stadion, diversen künstlerischen Darbietungen, Liedern von Lionel Richie und Feuerwerk – nicht wenige verspürten eine Gänsehaut.